Die
Menschen in Ägypten, Tunesien, Marokko und im Sudan, die der
Muslimbruderschaft eine Chance zur Herrschaft gegeben hatten, fanden
heraus, dass die Organisation ebenso korrupt und inkompetent ist wie die
säkularen arabischen Regime und Staatsoberhäupter. Diesen Monat erlitt
Marokkos regierende islamistische Partei für Entwicklung und
Gerechtigkeit eine vernichtende Niederlage bei den Parlamentswahlen. Im
Bild: Eine Frau gibt ihre Stimme bei den Wahlen in Marokko am 8.
September 2021 in Rabat ab. (Foto von Fadel Senna/AFP via Getty Images) |
Seit ihrer Gründung im Jahr 1928 lautet das Hauptmotto der Muslimbruderschaft "Der Islam ist die Lösung" (für alle Probleme). Die Anhänger der Organisation haben diesen Slogan
in den letzten zehn Jahren genutzt, um in einer Reihe von Ländern an
die Macht zu kommen, darunter Ägypten, Tunesien, Marokko und Sudan.
Die letzten Wochen haben jedoch gezeigt, dass viele Araber und Muslime nicht mehr an die Regierungsfähigkeit der Muslimbruderschaft oder an die Behauptung "Der Islam ist die Lösung" glauben.
Wie der marokkanische Schriftsteller Saeed Nashed sagte: "Die Muslimbruderschaft hat Marokko in ein Jahrzehnt der Dunkelheit geführt."
Die Menschen in Ägypten, Tunesien, Marokko und im Sudan, die der Muslimbruderschaft eine Chance zur Herrschaft gegeben hatten, fanden heraus, dass die Organisation genauso korrupt und inkompetent ist wie die säkularen arabischen Regime und Staatsoberhäupter.
In den vergangenen zwei Monaten erlitt die Muslimbruderschaft zwei
schwere Rückschläge, zunächst in Tunesien und zuletzt in Marokko.
Der Sturz der islamistischen Partei Ennahda (Renaissance) in Tunesien
im Juli wurde nicht nur von Tunesiern begrüßt, sondern auch von vielen
anderen Arabern, die den Islamisten, insbesondere der
Muslimbruderschaft, vorwarfen, Chaos und Instabilität in der arabischen Welt zu verbreiten.
Diesen Monat erlitt Marokkos regierende islamistische Partei für
Entwicklung und Gerechtigkeit (PJD) bei den Parlamentswahlen eine
vernichtende Niederlage.
Die PJD, die in den beiden vorherigen Regierungen Koalitionspartner
gewesen war, gewann nur 12 Sitze im 395 Sitze umfassenden Parlament. Für
die Islamisten war dies eine demütigende Niederlage, denn die Zahl ihrer Sitze sank von 125 auf 12.
Wie bei den Islamisten in Tunesien feiern nun auch in Marokko viele
Araber den Untergang der Muslimbruderschaftspartei. Die Araber sagen, dass die Islamisten den von ihnen regierten Ländern nur Korruption und Elend gebracht haben. Die Araber sagen auch, dass sie die Lektion gelernt haben und den Islamisten und ihren "leeren Parolen" nicht mehr vertrauen werden.
Das Ausmaß dieser Niederlage zeigt, dass die Islamisten, die nach dem
"Arabischen Frühling" regierten, gescheitert sind: Sie haben nichts zu
bieten als Parolen und religiöse Phrasen.
Sami Brahem, ein tunesischer Islamforscher, kommentierte, dass die
mit der Muslimbruderschaft verbundenen Parteien es versäumten, ihrem
Volk Programme und Visionen zu präsentieren. "Sie haben auf allen Ebenen
versagt", sagte Brahem. "Das ist auch ein politisches und moralisches Versagen. Sie haben sich mit korrupten Parteien verbündet."
Die libanesische Politologin Hoda Rizk wies darauf hin, dass die
Muslimbruderschaft den Entscheidungsträgern in Washington beweisen
wolle, dass sie allein als gemäßigte politische Organisation in der Lage
sei, in der Welt der Politik mit Pragmatismus und Effektivität zu
agieren.
"Sie wussten, dass für Washington die Sicherheitsfrage in den
arabischen Ländern wichtiger war als die Demokratie, insbesondere
während der Regierungszeit von Präsident Obama", sagte
Rizk. Sie fügte hinzu, dass die Islamisten in Tunesien und Marokko viel
Pragmatismus und Flexibilität bewiesen hätten, was ihnen geholfen habe,
ein stärker integrierter Bestandteil der politischen Systeme in ihren
Ländern zu werden.
"Ist in den arabischen Ländern 10 Jahre nach dem Arabischen Frühling
die Ära des politischen Islam zu Ende?" fragte Sie. "Zweifellos waren
die Gründe für das Scheitern die Trägheit und die echte mangelnde
Bereitschaft, die Macht zu übernehmen."
Amr Al-Shobaki, Forscher am ägyptischen Al-Ahram Studienzentrum,
glaubt, dass es nicht möglich ist, alle Erfahrungen des politischen
Islam in einen Korb zu packen, auch wenn es gemeinsame Nenner für das
Scheitern ihrer Erfahrungen in den Ländern der arabischen Welt gibt.
Al-Shobaki sagte gegenüber Al-Hurra TV, dass einer der Hauptgründe
für den Untergang der Muslimbruderschaft mit der ideologischen
Komponente der Gruppen der Organisation zusammenhängt, einschließlich
der fehlenden Trennung zwischen Religion und Politik, ihrem angeblichen
Monopol über die absolute Wahrheit und ihren Anspruch, den wahren Islam
zu repräsentieren.
Al-Shobaki sagte,
dass die Araber "die Idee einer Vormundschaft über sie im Namen der
Religion ablehnten, und sie begannen, zwischen der heiligen Religion und
den Programmen politischer Parteien und ihrer Fähigkeit, ihre
Interessen zu verwirklichen", zu unterscheiden.
Einer der Gründe für das Scheitern der Islamisten, so der ägyptische
Forscher, sei, dass sie im Zuge des sogenannten Arabischen Frühlings den
Leuten erzählten, sie hätten es mit dem sozialistischen und
kapitalistischen System versucht, und nun sei es an der Zeit, das
islamische Projekt zur Lösung aller Probleme umzusetzen.
"Nach 10 Jahren scheiterte jedoch das [islamische] Projekt, und es
gelang ihnen nicht, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme der
Menschen zu lösen", fügte Al-Shobaki hinzu.
Marwan Shehadeh, ein jordanischer Experte für islamische Gruppen, wurde von Al-Hurra TV mit den Worten
zitiert, der Grund für das Versagen der Islamisten sei mangelnde
politische Erfahrung und das Versäumnis, sich von der Opposition zur
Regierung zu wandeln.
Shehadeh sagte, ein weiterer Grund für das Scheitern der Islamisten
sei, dass sie die gleiche Politik und Taktik der Regierungen und Regime
übernommen hätten, die sie ersetzt hätten.
"Die [islamistischen] Gruppen und Parteien wurden mit den
Krankheiten infiziert, an denen andere Parteien litten, insbesondere
Korruption ... Sie haben es versäumt, die Angelegenheiten ihrer Länder
zu regeln, Probleme zu lösen oder den Menschen das zu bieten, was ihnen
zusteht. Außerdem haben sie keine für die Arbeit des Staates geeigneten
Kader vorbereitet."
Amin Sossi Alawi, ein marokkanischer Forscher für geopolitische Fragen, beschrieb
die Niederlage der Islamisten in Marokko als "ein Erdbeben, das der
Muslimbruderschaft in der islamischen Welt das Rückgrat brechen wird".
Die Erfahrungen der Marokkaner mit den Islamisten in den letzten zehn Jahren, sagte
er, hätten es ihnen endlich ermöglicht, "die Falschheit der
populistischen Parolen zu erkennen, die die Partei für Gerechtigkeit und
Entwicklung ausgenutzt hat, um die Regierung zu infiltrieren".
Der libysche Schriftsteller Milad Omer Mezoghi schrieb,
dass Araber, die in der Vergangenheit für die der Muslimbruderschaft
angeschlossenen Parteien gestimmt haben, vielleicht einen Fehler gemacht
haben, "aber wissen, wie man diejenigen bestraft, die sie enttäuscht
haben".
"Die Muslimbruderschaft in Nordafrika hat sich nicht um
ihrer Völker gekümmert. Sie haben die abscheulichsten Taten begangen,
das Schicksal ihrer Völker mit der Türkei verknüpft, alles aus ihr
importiert, um ihre Wirtschaft (beziehungsweise die der Türkei)
wiederzubeleben und haben dadurch die Staatskassen ihrer Länder geleert
und ihre Bevölkerung verarmt, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit
und der Kriminalität geführt hat ... Die Menschen machen manchmal Fehler
bei ihren Entscheidungen, weil sie keinen klaren Blick haben und die
Kandidaten falsche Informationen liefern, aber sie werden ihren Fehler
sicherlich bei der ersten Gelegenheit korrigieren. Die marokkanischen
Parlamentswahlen haben offen zum Ausdruck gebracht, dass die
marokkanische Öffentlichkeit die Muslimbruderschaft aufgegeben hat. Die
Muslimbruderschaft ist eine böse Pflanze, die von Schmutz zerfressen
wurde."
Der saudische Schriftsteller und Politologe Fahd Al-Shoqiran sagte,
dass der Untergang der Muslimbruderschaft in Marokko auf "die
ungeheuerliche Ausbreitung der Korruption, die die Wut der Bevölkerung
entfachte," zurückgeführt wird.
Er wies darauf hin, dass viele Wähler in Marokko die
Muslimbruderschaft als opportunistische Organisation sehen, die viele
leere Slogans vor sich hertrage, um möglichst schnell von der
Regierungsstellung zu profitieren.
"Dies zeigte sich in der massiven Korruption, der
fehlenden Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und dem Fehlen einer Strategie
zur Armutsbekämpfung. Es ist bekannt, dass die Organisation der
Muslimbruderschaft in der Opposition erfolgreich ist, aber in der
Regierung immer scheitert. Sie sind gut im Zerstören, aber sie versagen
beim Aufbau."
In Anbetracht der Tatsache, dass Islamisten in einer Reihe von
arabischen Ländern versagt haben, warnt der Autor, dass sich die
Erfahrung des Versagens alle paar Jahrzehnte wiederholen wird, wenn
Muslime nicht aus den "tödlichen Erfahrungen" mit der Muslimbruderschaft
lernen.
Al-Shoqiran fuhr fort:
"Nach einem Jahrzehnt der Herrschaft der Islamisten in
Tunesien und Marokko hat die Muslimbruderschaft nur noch zur Verbreitung
von Korruption, Missachtung des Staates und seiner Institutionen sowie
zum Diebstahl von Leben und Geld beigetragen."
Nadim Koteish, ein prominenter libanesischer Schriftsteller und eine
bekannte Medienpersönlichkeit, sagte, dass die Islamisten Marokkos hart
bestraft wurden, nachdem sie 10 Jahre in der Regierung verbracht hatten,
ohne ihrem Volk Gutes zu bringen.
"Marokkaner haben für Leistung gestimmt, nicht für Rhetorik", schrieb er. "Die jüngsten Wahlen in Marokko bieten diesem Land eine Chance, sich von islamistischer Erpressung zu befreien."
Der palästinensische Zeitungsredakteur und Kolumnist Hafez Barghouti dachte ebenfalls über den Untergang der Muslimbruderschaft in Marokko nach.
"Die Parteien der Muslimbruderschaft haben immer
behauptet, sie hätten keine Möglichkeit zu regieren, um ihre Programme
umzusetzen. Doch sie haben die Regierung in Marokko zehn Jahre lang
übernommen und keinerlei Erfolge für die Marokkaner erzielt, die sich
nur von den religiösen Parolen täuschen ließen."
Laut Barghouti
zeigt die Erfahrung, dass die Parteien der Muslimbruderschaft in der
Lage sind, zu zerstören, nicht aufzubauen, und es gibt Beweise dafür,
dass sie regieren, ohne ihren Untertanen andere Dienste als illusorische
Siege und Korruption zu bieten."
Der palästinensische Schriftsteller sagte,
dass Tunesien die Islamisten losgeworden sei, weil sie die Wirtschaft
zerstörten und "das Geld des Volkes stahlen". In Marokko sei die
Muslimbruderschaft viele Jahre an der Macht gewesen und habe das Land in
eine wirtschaftliche und soziale Krise gestürzt.
Die islamistischen Parteien, schrieb Barghouti, meinen, ihre
Herrschaft halte genau so lang an, wie sie religiöse Parolen
verbreiteten. "Doch sie fokussieren sich primär auf ihre parteiischen
Interessen und dienen nur ihren eigenen Anhängern", sagte er. "Dies ist
der Grund für den schnellen Untergang der Muslimbruderschaft, einer
Gruppe ohne Geschichte von Aufbau und Toleranz."
Mounir Adib, ein ägyptischer Experte für islamische Gruppen, sagte,
dass der Sturz der Islamisten in Marokko den Zusammenbruch der
Organisation in Ägypten, Tunesien und anderen arabischen Ländern
widerspiegelt.
"Dieser Untergang ist nicht politisch, sondern eher der
Zusammenbruch der Ideologie der Gruppe, der in arabischen Ländern
unerwünscht geworden ist. Der große politische und intellektuelle Fall
der Muslimbruderschaft begann in Ägypten, dann folgte der Sudan,
Tunesien und schließlich Marokko. Aufgrund ihres spektakulären
Scheiterns in diesen Ländern wird erwartet, dass sie auch in Libyen bei
den bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen fallen
werden."
Der Untergang der Muslimbruderschaft in einigen arabischen Ländern
bedeutet nicht, dass die Organisation in absehbarer Zeit verschwinden
wird. Dennoch sagen die Araber in diesen Ländern, sie hätten genug von
den Islamisten, die bewiesen haben, dass sie nicht in der Lage sind, die
Interessen ihrer Völker zu vertreten. Bleibt also die Frage: Werden
auch westliche Apologeten der Islamisten diese Tatsache erkennen und
aufhören, mit ihnen wie mit Guten, die die Lebensbedingungen von Arabern
und Muslimen verbessern wollen, umzugehen?
Khaled Abu Toameh ist ein preisgekrönter Journalist mit Sitz in Jerusalem.
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