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Freitag, 18. März 2022
Tichys Ausblick - Hungern und Frieren für die Ukraine?
Tichys Ausblick - Hungern und Frieren für die Ukraine?
Wladimir Putins Krieg gegen die Ukraine und die Sanktionen gegen sein
Regime haben globale wirtschaftliche Auswirkungen. Auch in Deutschland
spürt man diese längst. Steil steigende Energiepreise, teilweise leere
Regale nach Hamsterkäufen, schon ist von Nahrungsmittelknappheit die
Rede. Die weltpolitischen Gewichte verschieben sich. China tritt als
neue globale Macht auf den Plan: zunächst als Rückhalt für Russland –
aber auch als indirekt Geschädigter der Sanktionen.
In der heutigen Sendung der Talkshow Tichys Ausblick diskutieren:
Der Volkswirtschafts-Professor Ulrich Blum ist Spezialist für das Thema
Wirtschaftskrieg. Er beschreibt die Schwächen Russlands, und warum Gas
weiter fließen muss, er schildert die Stärken, aber auch Schwächen
Chinas, das abhängig vom Handel mit dem Westen ist. China werde seine
Macht über das in jedem Fall geschwächte Russland ausdehnen – aber
möglicherweise auch Putin zum Einlenken bewegen: Zu verheerend sind die
Schäden des Krieges und der Sanktionen auch für China.
Die China-Kennerin Alexandra Cavelius hat gerade ein Buch über den
Umgang mit der Uiguren in China geschrieben. Russland und China wollen,
so Cavelius, eine neue Weltordnung erzwingen. Das chinesische System der
totalen Überwachung und Kontrolle der Bevölkerung werde jetzt erkennbar
auch in Russland ausgerollt.
Landwirt und Bauernvertreter Anthony Lee erklärt, welche Gefahren jetzt
für die Lebensmittelversorgung drohen – nicht nur wegen des Krieges in
der Ukraine, sondern auch wegen Fehlentscheidungen der deutschen
Politik. In der Landwirtschaft drohe eine Wiederholung des
Energiedebakels: So wie Kraftwerke mutwillig zerstört wurden, gerät auch
die Versorgung mit Getreide, Öl und Fleisch in Gefahr, weil die Politik
wirtschaftliche Grundlagen zerstört.
Putins bester Freund
Moderator Roland Tichy beginnt die Diskussion mit der Frage nach der
Rolle Chinas in diesem Konflikt. China-Expertin Cavelius sieht Xi
Jinping als zentrale Figur: „Er bezeichnet sich selbst als ‚besten
Freund Putins‘.“ Sie geht davon aus, dass Xi vermutlich eingeweiht war
in die russischen Invasionsvorbereitungen – die Chinesen wären darauf
bedacht gewesen, den Krieg erst nach der Winterolympiade zu beginnen.
Die enge Verbundenheit Russlands und Chinas sieht Cavelius hierbei auch
darin begründet, dass China plant, Taiwan zu erobern.
Sie geht allerdings davon aus, dass man mit einem Blitzkrieg in der
Ukraine gerechnet habe: „Sie haben sich verkalkuliert.“ Auch wenn die
russisch-chinesischen Beziehungen auch heute noch von gegenseitigem
Misstrauen geprägt wären, sieht Cavelius doch eine Gemeinsamkeit darin,
dass beide Nationen von einem Großreich und einem Weltmachtstatus
träumen und eine neue Weltordnung anstreben.
„Glaube, dass man die Ukraine innerhalb der nächsten 24 Monate nicht
besiegen kann“
Volkswirt Blum beschreibt, dass bereits die Besetzung der Krim und die
Unterstützung der Separatisten im Donbass „mit immensen wirtschaftlichen
Mitteln lanciert“ worden sei.
Die Vorlage hierzu habe der russische
General Gerasimov gegeben, als er 2013 in einer Rede davon sprach, dass
der moderne Krieg ein anderer Krieg sei, mit ökonomischen, informellen
und kognitiven Mitteln, die vor allem auf die nicht-militärische
Destabilisierung eines Landes abzielen. „Überraschend ist [insofern],
dass Putin sich doch entschieden hat, die militärische Keule zu nehmen
und nicht die Ukraine vor allem über ökonomische und geheimdienstliche
Maßnahmen zu destabilisieren“, so Blum.
Zu den wirtschaftlichen Sanktionen des Westens sagt Blum: „Der Westen
hat im Prinzip zwei Nuklearbomben gezündet.
Das eine ist SWIFT und das
zweite ist die totale Blockade der ausländischen Devisenschätze der
russischen Föderation.“ Das Ziel sei „letztendlich das Vernichten von
russischem Produktionspotenzial, um die Kriegsführung mit
nicht-militärischen Mitteln zu unterbinden.“
Roland Tichy wirft die Frage in den Raum, ob nicht Europa eigentlich
mehr unter den Sanktionen leiden werde. Blum meint, dass eine Sanktion,
sofern sie glaubhaft sein wolle, auch einem selbst wehtun muss. „Man
muss Putin einen furchtbar erschreckenden Erwartungshorizont aufbauen,
damit er einknickt.“
So etwas könne zum Beispiel die Androhung sein, den
Import von russischem Gas mit jedem Kriegsmonat um fünf Prozent zu
reduzieren.
Blum ist für Die Ukraine relativ optimistisch: „Ich glaube, dass man die
Ukraine innerhalb der nächsten 24 Monate nicht besiegen kann. […] Die
russischen Kräfte sind zu schwach, um eine dauerhafte Okkupationsarmee
zu stellen.“ Allerdings rechnet er damit, dass die Wirtschaft die Folgen
einigermaßen abfangen kann: „Ich glaube aber auch, dass das
Weltwirtschaftssystem flexibler ist.“