Cola, Bier, Zigaretten und eine Handvoll Liebe
Diese Berliner Idee ist ganz nach meinem Geschmack. Als einstmaliger Buffet Inhaber (Bufett Radio CD in Wien Neilreichgasse Favoriten) kann ich hier meine Erfahrungswerte einbringen. Kommunikation zwischen den Menschen aller Schichten ist notwendig. Solche Einrichtungen ohne Förderungen gehören menschlich, verständlich gefördert, nicht sogar noch mit Auflagen etc. verfolgt.
Das hier ist ein Beispiel neuer menschlicher Politik in einem neuen Paradigma, mit dem Fokus auf Mensch sein, Leben und Leben lassen, solange es der Schöpfer vorgesehen hat.
lg wolf
https://philosophia-perennis.com/2022/07/01/cola-bier-zigaretten-und-eine-handvoll-liebe/
Cola, Bier, Zigaretten und eine Handvoll Liebe
„Spätis“, winzige Tante-Emma-Läden, die meist rund um die Uhr geöffnet haben, sind eine Berliner Besonderheit. Ladenschlussgesetze gelten hier (meist) nicht. Wem nachts um elf oder morgens um vier der Sinn nach Wein, Bier, Getränken und Zigaretten steht, der findet einen dieser rund 1000 Spätkauf-Läden um die Ecke. Und einen Plausch mit dem Mann hinter dem Tresen. Gastbeitrag von Meinrad Müller
Nicht erst seit Corona ist der Besuch am Stammtisch und Restaurant für viele aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich. Und doch ist der soziale Kontakt mit Geschöpfen der gleichen Spezies so wichtig, wenn nicht gar überlebenswichtig. Funk und Presse berichten ausführlich, wie sehr doch so viele unter Einsamkeit litten, besonders auch im Alter. Viele Spätis sind auch sonntags geöffnet, während bei anderen das Ordnungsamt unter Polizeiverstärkung anrückt, den Laden schließt und Strafen verhängt.
Eine Logik ist dabei nicht zu erkennen. Und doch wird diese Möglichkeit der Kommunikation, die der Stadt und den Krankenkassen nichts kostet, per Polizei und Bürgeramt oftmals blockiert. Diese zwanglosen Späti-Treffpunkte existieren und sind ohne Rezept von allen aufsuchbar. Hartz 4-Empfänger, Schauspieler, Unternehmer, Künstler und Studenten, alle begegnen sich als „Kumpel“, sprechen sich ungefragt mit dem vertrauten Du an und quatschen miteinander. Während viele Spätis Stühle und Bänke vor dem Laden bereithalten, ist es anderen wiederum untersagt. Gerade in Pandemiezeiten, in denen das Gespräch im Freien und sei es vor einem Späti so sinnvoll ist, wird dies in manchen Straßen oft brachial unterbunden.
Späti als Sozialstation
„Spätis“ sind eine Besonderheit, die der Autor dieser Zeilen auch erst seit acht Jahren kennt. Deren Name hat rein nichts damit zu tun, dass in diesem Stadtstaat vieles erst später fertig wird wie der Flughafen. Wer allerdings nachts um eins oder morgens um fünf Kaffee, Bier, Eiscreme oder Zigaretten benötigt, der findet hier eine offene Tür. Nicht nur Schichtarbeiter, sondern auch jene, die gerne die Nacht zum Tage machen, lieben ihre Spätis. 1000 davon soll es geben, was sich als sehr praktisch erweist.
Viele sind auch Paketannahmestationen für DHL, UPS etc. Diese Besonderheit dieses Nichtladenschlussgesetzes geht auf die Zeit zurück, in der Berlin von einer Mauer umschlossenen war. Um die Westberliner bei Laune zu halten, ließ man die Sache mit der aus dem Kaiserreich stammenden Sperrstunde einfach sein, damit nicht noch mehr nach „Westdeutschland“ abwanderten. Und so blieben Kneipen und auch Spätis einfach rund um die Uhr offen.
Wenn alle Läden schließen, bleiben Spätis auf
Die bestmögliche Annäherung, um dieses Phänomen „Späti“ zu beschreiben, ist noch ein „Tante Emma“-Laden. Oft nur 20 qm groß, erfüllen diese 24-Stunden-Shops einen wichtigen Zweck. Wenn REWE schon um 24 Uhr schließt und erst wieder um sechs in der Frühe wieder öffnet, so tut sich eine Lücke auf, die der Stadtmensch schmerzlich empfindet. Warum manche Spätis sonntags geschlossen sein müssen und andere nicht, erschließt sich den Menschen nicht. Spätis führen meist nur das Lebensnotwendige wie Schokolade, Bonbons, 100 Sorten Kartoffelchips, Zigaretten und Alkoholika. Auch Säfte und Softgetränke, daneben Jägermeister im Kleinformat. Und WC-Papier.
Die Inhaber dieser Miniläden, oft Migranten der zweiten Generation, werden im Schichtbetrieb von deren Kindern, Neffen, Nichten, Tanten und Verwandten unterstützt. Man kennt auch die Kunden, hält ein Pläuschchen (zu Deutsch Small Talk) und tauscht Neuheiten aus dem Kiez (Stadtviertel) aus. Und da kaum noch jemand die Zeitung liest, erfährt man so nebenbei, wer denn gestorben, geheiratet und Kinder bekommen hat. Wenn eine Wohnung frei wird, das bekommt man so nebenbei mit.
Das Feierabendbier vor dem Späti
Spätis sind keine Gaststätten, was schon aus Platzgründen nicht möglich ist. Doch vor dem Laden stehen oft einige Stühle, dort treffen sich Stammgäste. Man verabredet sich nicht, man weiß, wer, wann und immer oder öfter anzutreffen ist. Neue „Leute“ gesellen sich dazu, denn wo zwei schon stehen und ein 80 Cent-Sternburg-Bier in Händen halten, da stößt ein Dritter, ein Vierter etc. gerne dazu. Kaffee im Pappbecher schmeckt einfach besser und sei es ein Kaffeekränzchen stehend vor einem Späti.
Sozialtherapie vom Feinsten, so könnte man es bezeichnen, jedem sprudeln Worte aus dem Munde, die ihn belasten. Das ist ein Gedanke, der im eigenen Kopfe ständig nur kreist, erst mal an der frischen Luft angekommen, folgen einfühlsame oder weniger einfühlsame Kommentare. Wildfremde Menschen schütten einander das Herz aus. Geteiltes Leid sei ja bekanntlich halbes Leid. Die geradezu öffentliche Verarbeitung von Lebensereignissen ist es, was die Spätbesucher gegenseitig und unbewusst so anzieht.
Psychotherapie zum Nulltarif
Sollte in Kriegs- und Energiemangelzeiten, und Corona schafft eine ähnliche Situation, nicht alles getan werden, um die Bevölkerung und deren mentalen Zustand gesund zu erhalten? Gespräche unter Freunden und Bekannten sind ein Elixier. Und werden diese Kommunikationsorte zerstört, so wird auch eine Quelle der Harmonie und des laissez faire mit dem Bade ausgeschüttet. Sich dort zu treffen, wo man sich kennt, dort wo man mit Vornamen angeredet wird, schafft eine heilsame Atmosphäre.
Politische Vernunft ist jetzt gefragt, besser jetzt als zu spät.
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