Was Präsident Macron vorbereitet
von
Thierry Meyssan
Die
Bestürzung erfasst die Franzosen, die entdecken - aber ein wenig zu
spät -, dass sie ihren neuen Präsidenten, Emmanuel Macron, nicht kennen.
Thierry Meyssan deutet hier dessen jüngste Äußerungen und Handlungen im
Lichte des Berichtes, den er im Jahr 2008 für die Attali Kommission
geschrieben hat, und sagt die Richtung voraus, die "En marche!“
einschlagen wird.
- Emmanuel Macron
Seit dem Schlaganfall von Jacques Chirac hat
Frankreich keinen Präsidierten mehr. Während der letzten zwei Jahre
seines Amtes ließ er seine Minister Villepin und Sarkozy sich
zerfleischen. Dann wählten die Franzosen zwei Persönlichkeiten, Nicolas
Sarkozy und François Hollande, denen es nicht gelang dem Präsidentenamt
würdig zu sein. Sie beschlossen dann Emmanuel Macron in den
Elysée-Palast zu befördern, da sie dachten, dass der ungestüme junge
Mann das Ruder wieder aufnehmen könnte.
Im Gegensatz zu den früheren Wahlkämpfen gab der von 2017 keine
Gelegenheit für eine gründliche Debatte. Höchstens konnte man sehen,
dass alle kleinen Kandidaten (das heißt, diejenigen, die nicht von
großen Parteien unterstützt sind) die Europäische Union schärfsten
kritisierten, welche die Hauptkandidaten aber überschwänglich lobten.
Der Hauptteil der Kampagne war eine tägliche Seifenoper, in der man die
Korruption der politischen Klasse im Allgemeinen und besonders die des
Favorit- Kandidaten, François Fillon, verurteilte; eine typische
Aufmachung der "farbigen Revolutionen". Wie in allen diesen Modellen,
ohne Ausnahme, reagierte die Öffentlichkeit mit dem Slogan „ XXX muss
weg!: alles, was alt war, ist korrupt, alles was neu war, ist richtig
und gut. Doch keines der Verbrechen, von denen alle sprachen, wurde
ermittelt.
In den vorherigen Farbenrevolutionen brauchte die öffentliche Meinung
drei Monate (bei der Libanon-Zeder-Revolution), bis zwei Jahre (bei der
Rosen Revolution in Georgien), bevor sie aufwachte und entdeckte, dass
man sie manipuliert hatte. Sie kehrte daher zurück zu dem, was von der
ersten Mannschaft noch übrig blieb. Die Kunst der Organisatoren von
Farben-Revolutionen besteht darin, die Änderungen die ihre Sponsoren in
den Institutionen durchziehen wollen, sofort vorzunehmen.
Emmanuel Macron hat schon vorher angekündigt, dass er das
Arbeitsgesetz [Code du Travail], mithilfe der Prozedur per Ordonnanzen
dringend reformieren würde.
Darüber hinaus hat er wichtige
institutionelle Reformen angekündigt: Änderung des ECOSOC [Conseil
économique et social], Reduzierung -"Entlassung" sollten wir sagen in
Worten des Management – jedes zweiten gewählten Beamten auf allen
politischen Ebenen, und Elemente der "Moralisierung" des politischen
Lebens. All diese Projekte stehen im Einklang mit dem Bericht des
Ausschusses für die Befreiung des französischen Wachstums im Jahr 2008,
dessen Präsident, Jacques Attali, und dessen stellvertretender
Generalsekretär, Emmanuel Macron, waren.
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- Der
Bericht der Fachkommission Attali (erstellt von Präsident Sarkozy)
beginnt mit den Worten: "Dies ist weder ein Bericht noch eine Studie,
sondern eine Anleitung für dringende und grundlegende Reformen. Sie ist
weder parteiisch, noch überparteilich: Sie ist nicht parteilich. »
Das Arbeitsgesetzbuch
Was das Arbeitsgesetz angeht gibt es einen breiten Konsens zur
Anpassung an moderne wirtschaftliche Situationen. Soweit man aus den
vorbereitenden zur Verfügung stehenden Dokumenten schließen kann, liegt
die Regierung jedoch außerhalb dieses Konsenses. Sie plant nämlich, das
lateinische Rechtssystem aufzugeben, und das in den Vereinigten Staaten
geltende anzunehmen. Ein Angestellter und sein Chef könnten einen
Vertrag rechtswidrig untereinander aushandeln. Und damit kein Zweifel
über das Ausmaß und die Bedeutung dieser Reform besteht, muss das
Bildungssystem französisch-englische zweisprachige Kinder am Ende der
Grundschule produzieren.
Nie wurde diese Änderung des Paradigmas in Frankreich diskutiert.
Höchstens wurde sie während der parlamentarischen Debatten über das
Arbeits-Gesetz El Khomri-Macron in 2016 erwähnt. Einige Beobachter
hatten darauf hingewiesen, dass der Vorrang der Firmen-Vereinbarungen
über Branchen-Vereinbarungen eine mögliche Passage zum amerikanischen
Recht eröffnet.
Diese Wahl ist umso überraschender, da, wenn die Vereinigten Staaten
auch die führende Finanzmacht der Welt bilden, sie jedoch auf
Wirtschaftsebene von so unterschiedlichen Ländern wie China oder
Deutschland weitgehend überholt sind. Darüber hinaus, wenn das
Vereinigte Königreich das Votum der Bürger respektiert und aus der
Europäischen Union aussteigt, wird Letztere nicht mehr von dem
angelsächsischen Finanzmodell, sondern von dem Wirtschaftsmodell von
Deutschland dominiert werden.
Die Institutionen
Was die Reform der Institutionen betrifft, fällt auf, dass, wenn die
von Präsident Macron vorgesehenen Reformen sich auch als ausgezeichnet
erweisen sollten, keine aber von den Franzosen erwartet wird. Niemand
hat bisher eine Überfülle von Parlaments-Abgeordneten oder Gemeinderäten
angeprangert. Im Gegenteil, viele Berichte denunzieren die Anhäufung
von administrativen Schichten
(Gemeinden, Gemeinschaften von Gemeinden,
Départements, Regionen, Staat) und die Wucherung von "Comités Théodule"
[ein von Carles De Gaulle 1960 geprägtes Wort, das unnütze Komitees
anprangert, um ein Problem zu begraben].
In Wirklichkeit geht Präsident Macron maskiert voran. Sein
mittelfristiges Ziel, seit 2008 weithin angekündigt, ist die Aufhebung
der Gemeinden und der Départements. Es gilt, die französischen Gemeinden
mit dem bereits überall anderswo in der Europäischen Union eingesetzten
Modell zu homogenisieren. Der Elysée-Palast, der die historische
Erfahrung der Franzosen ablehnt, ist der Auffassung, dass sie wie alle
anderen Europäer verwaltet werden können.
Die Reform des Wirtschafts- und Sozialrates bleibt unklar.
Man glaubt
zu wissen, dass es gilt, unzählige " Comités Théodule " aufzulösen und
ihnen den sozialen Dialog zu übertragen. Das Scheitern von Charles De
Gaulle zu diesem Thema im Jahre 1969, lässt ahnen, dass wenn diese
Reform durchgeführt würde, sie nicht ein Problem lösen würde, sondern
nur um es endgültig zu begraben. In der Tat, obwohl der soziale Dialog
jetzt auf der Ebene der Branchen stattfindet, wird die Reform des
Arbeitsgesetzes diesem Dialog "jegliches konkrete Objekt" rauben.
Im Jahr 1969 hatte Präsident De Gaulle sich gezwungen gefühlt, seinen
alten Plan der "Beteiligung" [„participation“], d.h. Umverteilung des
Kapital-Anstieges der Firmen zwischen ihren Besitzern und ihren
Angestellten, aufzugeben. Er hatte aber vorgeschlagen, die Arbeitenden
am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen. Zu diesem Zweck dachte er den
Wirtschafts- und Sozialrat mit dem Senat zu verschmelzen, so dass das
Oberhaus sowohl Vertreter der Regionen als auch die Berufswelt vereint.
Vor allem hatte er vorgeschlagen, dass diese Kammer nicht mehr Gesetze
schreibt, sondern dass sie ein Urteil für jeden Text fällen sollte,
bevor die Nationalversammlung darüber debattiert. Es ging daher darum,
Bauern- und liberalen Organisationen, Gewerkschaften, Arbeitnehmern und
Arbeitgebern, Universitäten und sozialen und kulturellen
Familien-Vereinigungen eine gesetzgebende Macht zu erteilen.
Die zwei Schwerpunkte, die Präsident Macron durchpeitschen will,
bevor seine Wähler aufwachen, können wie folgt zusammengefasst werden:
den Arbeitsmarkt nach den Grundsätzen des amerikanischen Rechts regulieren;
die
lokalen Gemeinschaften den europäischen Standards angleichen und die
die Arbeitswelt vertretenden Organisationen in einen rein ehrenamtlichen
Verein einsperren.
Abgesehen vom Auslöschen der Spur der Jahrhundertlangen sozialen
Schlachten, zu Gunsten allein der Kapitalisten, sollte Emmanuel Macron
also die gewählten Vertreter von ihren Wählern trennen und diese
entmutigen, sich in die öffentliche Sache zu investieren.
Zum gleichen Thema:
„Von der Stiftung Saint-Simon zu Emmanuel Macron“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Ralf Hesse, Voltaire Netzwerk, 28. April 2017.
„Kadima ! En Marche ! Vorwärts!“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Ralf Hesse, Voltaire Netzwerk, 9. Mai 2017.
« Macron-Libye : la Rothschild Connection
», par Manlio Dinucci, Traduction Marie-Ange Patrizio, Il Manifesto
(Italie), Réseau Voltaire, 1er août 2017. (Auch auf Englisch)
Beigefügte Unterlagen:
Rapport de la Commission pour la libération de la croissance française, La Documentation française (2008) (PDF - 1007.6 ko)
Übersetzung
Horst Frohlich
ENDE