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Einblicke in die geheimnisvollste Bank der Welt…
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Wenn Banker jammern, wie schwierig ihr
Gewerbe geworden sei, fällt über kurz oder lang der Name Basel, garniert
mit einer Zahl von eins bis drei: Basel I, II und III stehen für die
Regelwerke, mit denen Finanzinstitute in aller Welt wenn schon nicht auf
den Pfad der Redlichkeit und Rechtschaffenheit, so doch wenigstens auf
den Weg der Vorsicht und der Vernunft gezwungen werden sollen.
Hinter den Kurzformeln verbergen sich
komplizierte Vorschriften, welche vor allem die Fragen der Liquidität
und der Eigenkapitalreserven klären.
Diese Regelwerke sind global gültig,
doch niemand hinterfragt, warum sie ausgerechnet den Namen einer Stadt
tragen, die weniger für ihre Finanzinstitute bekannt ist als für
Pharmafirmen und Fußball. Auch große Finanzorganisationen wie Weltbank
und Internationaler Währungsfonds (IWF) sind nicht hier zu Hause,
sondern in Washington.
Tatsächlich aber beherbergt Basel die älteste, geheimnisvollste und wohl einflussreichste Finanzinstitution der Welt: Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ).
Wenn man überhaupt einmal von ihr gehört hat, dann meist mit dem
ehrfurchtgebietenden Zusatz „Zentralbank der Zentralbanken“. Doch selbst
dies wird ihrer Bedeutung nicht gerecht. In ihren Mauern tagt der wohl
mächtigste Klub der Welt. Seine 18
Mitglieder sind von niemandem gewählt und auch niemandem
rechenschaftspflichtig. Doch was sie hier alle zwei Monate besprechen,
beeinflusst das Schicksal von Milliarden Menschen.
Nicht schlecht für eine Bank wie die BIZ, die mit nur 120 Kunden und zwei Zweigstellen ein Eigenkapital von 28 Milliarden Dollar und einen Jahresgewinn von 1,17 Milliarden Dollar vorweisen kann. Nicht schlecht auch für eine Organisation, die vor 83
Jahren aus der Erbmasse des Ersten Weltkrieges hervorging, im Zweiten
Weltkrieg den Holocaust und die Kriegsmaschine der Nazis finanzierte und
nach dem Krieg die Einführung einer europäischen Einheitswährung zu
einer Zeit vorantrieb, als Politiker dies als Hirngespinst verwarfen.
Journalisten müssen das Gebäude verlassen
Bei all ihren Tätigkeiten blieb die BIZ meist unbeobachtet unter dem Radar der Öffentlichkeit. Das gilt bis heute: Trotz Website und Twitter-Konto
hält die Bank der Banken alle relevanten Informationen unter
Verschluss. Die wenigen Journalisten, die ins Hauptquartier, einen
kreisrunden Büroturm am Basler Hauptbahnhof, vorgelassen werden, dürfen
sich nur in Begleitung von Raum zu Raum bewegen. Sobald um 12.30 Uhr die Angestellten der Kantine zustreben, müssen sie das Gebäude unverzüglich verlassen.
Nun liegt zum ersten Mal eine
umfangreiche Untersuchung dieser mysteriösen Organisation vor, die
eigentlich niemand braucht, die es aber immer wieder verstanden hat,
sich unentbehrlich zu machen. „Tower of Basel“ nennt der amerikanische
Topjournalist Adam LeBor die BIZ. Nach LeBors Überzeugung weist der Turm
von Basel Parallelen zum Turm von Babel auf: Mit nur 18
Stockwerken „ragt er zwar nicht bis in den Himmel, aber viele von
jenen, die in ihm arbeiten, glauben, dass sie ein beinahe himmlisches
Mandat besitzen“. Heute sei die Bank zu einem der „reichsten und
einflussreichsten Anachronismen der Welt“ geworden.
Gegründet wurde die Bank für internationalen Zahlungsausgleich im Jahr 1930
für nur einen Zweck: Über sie sollten die Reparationszahlungen
abgewickelt werden, zu denen Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg von
den Siegermächten verurteilt worden war. Man wählte Basel, weil Paris
sich einem Sitz der neuen Bank in London widersetzte. Für Basel sprach
die Lage in der neutralen Schweiz, gleich an der Grenze zu Deutschland
und Frankreich.
Treibende Kraft waren Montagu Norman,
der Präsident der Bank von England, und Hjalmar Schacht, der Chef der
Deutschen Reichsbank. Als Mitgründer kamen die Notenbanken von
Frankreich, Italien und Belgien, ein Konsortium japanischer
Geschäftsbanken und ein US-Trio bestehend aus J.P. Morgan, First
National Bank of New York und First National Bank of Chicago an Bord.
Die Fed, die amerikanische Zentralbank, stand dem Unternehmen lange
skeptisch gegenüber. Sie trat der BIZ erst 1994 formell bei.
Doch als die Weimarer Republik 1932
das Ende deutscher Reparationszahlungen durchsetzte, wäre die BIZ
eigentlich schon wieder überflüssig gewesen. Aber Norman und Schacht
hatten von Anfang an ohnehin andere Pläne: Ihre Bank sollte ein
exklusiver Klub für die Chefs der Notenbanken werden – mächtig,
unabhängig, frei von der Einmischung durch Regierungen und abgeschirmt
vor neugierigen Journalisten.
Noch wichtiger: Die Bank finanzierte sich selbst und war nicht auf Zuwendungen von Regierungen angewiesen.
Die BIZ akzeptierte schmutziges Nazi-Gold
Außerdem erhielt sie den
Status einer internationalen Organisation. Ihre Gebäude sind bis heute
ebenso unantastbar wie ihre Einlagen und Guthaben, ihre Mitarbeiter
genießen Steuerfreiheit und diplomatische Immunität. LeBor nennt die BIZ
„eines der weltweit wirksamsten Instrumente von soft power“. Diese
weiche Macht kommt jeden zweiten Monat zum Einsatz, wenn
Notenbankpräsidenten aus der ganzen Welt zum Jour fixe nach Basel
kommen. Die Sitzung beginnt Sonntagabend im Konferenzraum E des
BIZ-Towers. Dann ziehen sich die Chefs allein zu einem exquisiten Dinner
zurück. Dieser innerste Zirkel besteht aus den 18
mächtigsten Notenbankern: Mario Draghi von der EZB gehört dazu, Ben
Bernanke aus Washington, Jens Weidmann von der Bundesbank, der Chinese
Zhou Xiaochuan, Mark Carney von der Bank of England.
Zum Treffen des
sogenannten Economic Consultative Committee am nächsten Morgen werden
auch Notenbankchefs anderer Staaten zugelassen – Indonesien, Polen oder
Südafrika. Diese Männer und Frauen sind in diesem Kreis noch immer
selten – repräsentieren mehr als vier Fünftel der globalen
Wirtschaftskraft. Manchmal dürfen noch ein paar kleinere Länder mit an
den Tisch – Israel etwa oder Ungarn. Aber sie haben kein Rederecht.
Offen reden – über Geldpolitik und Wein
Mervyn King, der frühere Chef der Bank
of England, bezeichnete diese Treffen als eigentliche Raison d’être der
BIZ: „Imstande zu sein, informell und offen miteinander zu reden, war
immer ungeheuer wertvoll“, sagte er dem Autor. „Wir können sagen, was
wir wirklich denken, wir können Fragen stellen und von anderen
profitieren.“ Bodenständiger beschrieb Péter Ákos Bod, Ex-Chef der
ungarischen Nationalbank, die Treffen. „Hauptthemen waren die Qualität
des Weins und die Dummheit der Finanzminister. Wenn man nichts von Wein
verstand, konnte man am Gespräch gar nicht teilnehmen.“ An die
fragwürdige Vergangenheit der Institution erinnert bei diesen Anlässen
nichts. Doch in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts war die
BIZ de facto der verlängerte Arm der Reichsbank in Berlin. Die Basler
verschafften dem Naziregime eine internationale Bühne und
globale Wirtschaftskontakte.
Auch nach Kriegsausbruch
wickelte sie Devisengeschäfte für den Nazistaat ab und akzeptierte
dessen schmutziges Gold, egal ob es aus den Tresoren der Nationalbanken
überfallener Staaten geraubt oder KZ-Häftlingen aus dem Mund gebrochen
worden war. Im Aufsichtsrat der Bank saßen nicht nur Hitlers
Kriegsfinanzier Schacht, sondern auch der Bankier Kurt von Schröder und
der Industrielle Hermann Schmitz vom Weltkonzern IG Farben, die beide
SS-Chef Heinrich Himmler finanzierten.
Kein Wunder, dass
Washington nach Kriegsende die BIZ auflösen wollte, zumal mit IWF und
Weltbank zwei neue Institutionen zur Regelung globaler Finanzfragen
bereitstanden. Doch Großbritannien, die Wall Street und weite Teile der
US-Industrie setzten sich durch und hielten die BIZ am Leben. Sie hatten
auch während des Krieges Kontakte zu den Deutschen aufrechterhalten und
waren am möglichst raschen Wiederaufbau der deutschen
Industrie interessiert.
Die BIZ präsentierte
sich nun als älteste und erfahrenste internationale Finanzorganisation.
Ihre Jahresberichte waren mittlerweile zur Pflichtlektüre für Banker und
Finanzbeamte in der ganzen Welt geworden, und als 1947
die Zentralbanken von den Regierungen ermutigt wurden, ihren
Zahlungsverkehr über die BIZ abzuwickeln, war die Zukunft der
Basler gesichert.
Zugleich etablierte die BIZ vier
Kommissionen, welche – so LeBor – „die Finanzarchitektur der Welt
umbauen“ und „die Zukunft der globalen Finanzmärkte und folglich der
Weltwirtschaft bestimmen“. Den größten Einfluss errang die für
Bankenaufsicht und Regulierung zuständige Kommission. Ins Leben gerufen
nach der Pleite der deutschen Herstatt-Bank in den Siebzigerjahren
erarbeitete sie die Basel-Regelwerke I bis III. Obwohl die BIZ keine
gesetzgeberischen Vollmachten besitzt, halten sich Geschäftsbanken
sklavisch an die Vorgaben.
Maßgeblich trieb die BIZ auch das
europäische Einigungsprojekt voran. Das Europäische Währungsinstitut,
der Vorgänger der Europäischen Zentralbank, wurde in den Räumlichkeiten
der BIZ ausgebrütet und herangezogen, bevor es nach Frankfurt umzog.
Diese Verwandtschaft, so LeBor, erklärt, weshalb die EZB gleichsam ein
Spiegelbild der Basler Bank geworden ist: Nicht transparent, kaum
kontrolliert, nur ansatzweise rechenschaftspflichtig.
Die BIZ ist für LeBor „eine
undurchsichtige, elitäre und antidemokratische Institution“, ein
„Überbleibsel eines gottlob untergegangen Zeitalters blinder
Unterwerfung unter Autorität“. Auf Dauer freilich werde sich die BIZ dem
Zug der Zeit nicht entziehen können. Auch sie werde sich öffnen müssen,
zumal da Notenbankchefs in der Folge der Finanzkrise politischer
Einfluss zugewachsen ist.
Doch gerade deshalb ist es zweifelhaft,
dass diese Herren sich über diese Kritik den Kopf zerbrechen, wenn sie
sich das nächste Mal zum Dinner in ihrem Basler Turm versammeln…
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