In großer Geste wenden sich Österreichs Chefredakteure – zumindest ein
rudimentärer Teil davon – in gemeinsamer Erklärung an die
Öffentlichkeit. Die Unabhängigkeit der Presse als selbsternannte „vierte
Macht“ im Staate wird betont, jedwede Versuche die Grenzen zwischen
Politik und Journalismus zu missachten wird als Gefährdung für unsere
Demokratie warnend gebrandmarkt.
Soweit kann ich ja noch folgen, wiewohl
ich die sogenannte 4. Macht seit Stunden verzweifelt in der aktuellen
Ausgabe des Bundesverfassungsgesetzes suche. Aber gut, Amtsanmaßung ist
halt auch eine duckmäuserliche Krankheit hiesiger Breiten.
Nach oben hin
buckeln und nach unten hin tretengilt auch und vor allem für die
willfährigen Knechte des Mediensystems.
Es gibt das alte Sprichwort, wessen Brot ich fresse, dessen Lied ich
singe. Hungrig stehen Sie vor den Parteizentralen und Ministerien, holen
sich regelmäßig die Presseförderungen nach erfolgtem Hofknicks ab,
intervenieren um Inserate, und ergehen sich in frommer Demutshaltung.
Wenn keiner zusieht, verhabern Sie sich mit den Politikern, saufen das
eine oder andere Glas und das Du-Wort ist das geringste Problem, glauben
Sie mir. Wenn die Mächtigen rufen, apportieren Sie umgehend. Wenn Ihre
mit den Politikern ökonomisch vernetzten Eigentümer mit den Finger
schnippen, stehen Sie Gewehr bei Fuß.
Wenn die Rufe der Brüder, Freunde
und Genossen erschallen, diktieren Sie ihre täglichen Zeilen. Liebe
Chefredakteure, von welchen Grenzen fabulieren Sie, wenn befragende
Journalisten in trauter Zweisamkeit mit den befragten Politikern ihre
Urlaube gemeinsam verbringen? Von welcher Unabhängigkeit sprechen Sie,
wenn sich Regierungsmitglieder und Landeshauptleute ihre eigenen
Verbindungsjournalisten aussuchen und dienstbötig herrichten.
Von
welcher Äquidistanz träumen Sie, wenn der Parteien- und
Familiennepotismus des etablierten Systems tief in Ihre Redaktionen
reicht und selbst Renaissancepäpste angesichts der strammen
Personalpolitik vor Neid erblassen würden. Welche Grenzen gibt es denn
überhaupt noch, wenn andererseits auch die politischen Gremien in
Perioden wie das Gut Aiderbichl für gescheiterte Journalistenexistenzen
anmuten?
Von welcher Objektivität sprechen Sie, wenn die Artikel Ihrer
Medien vor persönlicher Eitelkeit, parteipolitischer Motiviertheit und
offenkundiger Subjektivität – gepaart mit den üblichen Grammatikfehlern -
nur so strotzen?
Verstehen Sie mich nicht falsch: Das ist kein Vorwurf, beileibe nicht.
Das ist Österreich wie es leibt und lebt und wir geduldigen Bürger
bekommen ja nicht nur die Politiker sondern auch gleich Journalisten von
demselben Schlag, die wir offensichtlich verdienen.
Medien leben von Glaubwürdigkeit. Ihre von Scheinmoral triefende
Erklärung ist – höflich formuliert – nicht dazu geeignet diese wieder
herzustellen, wenn es doch unverbrüchliches Faktum ist, dass sich Ihre
Berichterstattung auch ökonomischen Grundsätzen beugen muss.
Wenn Sie
sich also zur kontrollierenden Kraft des Staates hochschwingen kann ich
nur sagen: Böcke haben wir in unserem Garten bereits genug. Natürlich
gibt es auch viele Ausnahmen. Medien die wenigsten so ehrlich sind und
sich zu den Gesichtspunkten ihrer Auflage bekennen und somit tatsächlich
einen Dienst an ihrer steigenden Leserschaft leisten.
Der gute alte und wissende Österreicher Helmut Qualtinger meinte:
Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen. In
diesem Sinne, viel Erfolg mit Ihren Erklärungen!